Erste Hilfe – eine menschliche Verpflichtung
Gestern, am Fatima-Tag, haben wir nach langer Zeit, nach sehr langer Zeit, in unserer Pfarrei einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht. Von morgens früh um 9.00 Uhr bis zum späten Nachmittag, so dass wir es gerade noch zu einem Gesätzlein vom Fatima-Rosenkranz und zur Abendmesse geschafft haben. Im Prinzip haben wir uns den ganzen Fatima-Tag über mit dem Thema beschäftigt: erste Hilfe beim Notfallopfer.
Erst heute Morgen kamen wir zum Nachdenken. Ergebnis: wir können unsere Erfahrungen im Erste-Hilfe-Kurs ganz leicht auch auf das geistige Leben übertragen: auf Erste Hilfe beim „geistigen Notfallopfer“.
Beginnen wir mit der Feststellung des jungen Mannes vom Malteser-Hilfsdienst, dass jeder Erwachsene gesetzlich zur Ersten Hilfe verpflichtet ist. Jeder muss helfen, der zu einem Unfall oder einer anderen Notfallsituation hinzukommt. Er kann sich davor nicht drücken. Das mindeste ist, dass er einen Notarzt ruft oder andere professionelle Hilfe.
Im Laufe des Tages haben wir verschieden Notfallsituationen besprochen und dann an Puppen-Modellen das richtige Verhalten geübt.
Jede Übung begann damit, dass wir das Notfallopfer ansprachen. Ist der Mensch bewusstlos oder schläft er nur? Ist er ansprechbar? Ist Atmung feststellbar?
Wenn der Mensch bei Bewusstsein ist, wird er in die „stabile Seitenlage“ gebracht, was ja jeder von uns sicher noch von der Führerschein-Vorbereitung kennt.
Wenn der Mensch bewusstlos ist und kein Atem feststellbar ist, muss er vom Ersthelfer beatmet werden: Mund-zu-Mund bzw. Mund-zu-Nase. Damit der Kreislauf in die Gänge kommt und ein regelmäßiger Herzschlag wieder möglich ist, wird die sogenannte Herz-Druck-Massage angewandt, d.h. man drückt an einem bestimmten Punkt am Brustbein mit beiden Händen kräftig auf die Brust – 30 mal. Danach wieder Beatmung. Beides abwechselnd und so lange, bis der Notarzt vor Ort ist. Bei dieser Druck-Massage muss man damit rechnen, dass man dem Notfallopfer die Rippen bricht. Das klingt nicht gut. Aber: oberste Priorität hat das Überleben des Opfers – dass sein Herz wieder anfängt zu schlagen.
Wie könnte Erste-Hilfe im geistigen Leben aussehen?
Erste Feststellung: wir sind getauft. Wir sind Kinder Gottes. Als solche sind wir aufgerufen, in der Nachfolge Jesu zu leben. Als Kinder Gottes, als Getaufte kann es uns nicht gleichgültig sein, wie es unserem Mitbruder/ unserer Mitschwester geht. Auch wir haben die Pflicht, ihnen beizustehen, wenn wir feststellen, dass sie sich in einer „geistigen Notfallsituation“ befinden bzw. auf dem besten Wege sind, dort hineinzugeraten.
Vielleicht fragen wir uns: schläft der Mensch nur oder ist er bewusstlos? Schlägt sein Herz noch oder ist er bereits geistig tot?

Kommt er zur sonntäglichen Versammlung der Gläubigen? Hört er dort, in der hl. Messe, das Wort Gottes? Nimmt er teil am „Brechen des Brotes“ wie die ersten Jünger? Lässt er sich stärken durch die Eucharistie?
Oder ist es wie beim hl. Thomas, der nach der Auferstehung Jesu nicht bei den anderen Jüngern war? Der deswegen die Begegnung mit dem Auferstandenen verpasste, der die Worte Jesu deswegen nicht hören konnte und sich deswegen weigerte zu glauben.
Beim hl. Thomas war es Jesus selber, der ihm am folgenden Sonntag bei der Versammlung der Jünger „Erste Hilfe“ leistete. Thomas kam. Thomas sah und war von seinem Unglauben sofort geheilt. Unser Bischof Rudolf Voderholzer sagt es uns ganz klar: wir müssen am Sonntag zur Versammlung der Gläubigen kommen. Sonst geht es uns wie dem hl. Thomas: wir verpassen Jesus. Wenn wir Jesus Woche für Woche verpassen, wenn wir nicht in der Gemeinschaft der Gläubigen zusammenkommen, dann wird unser Glauben immer schwächer.
Die sonntägliche Versammlung
Es ist wichtig, dass jeder zur sonntäglichen Versammlung, zur Feier der heiligen Messe kommt. Dass er sich durch das Wort Gottes aufbauen und durch die Eucharistie stärken lässt. Dass er die anderen Sakramente der Kirche, besonders das Sakrament der Versöhnung (d.h. die Beichte / das Bußsakrament) und das Sakrament der Krankensalbung in Anspruch nimmt, um dadurch Vergebung bzw. Heilung zu erfahren. Heilung an der Seele, und dadurch oft auch Heilung am Körper. Weil ja beides eng zusammenhängt.
Wenn wir nun als „Ersthelfer“ vor Ort sind und jemanden in einer geistig desolaten Situation vorfinden – was können wir tun?
Wenn er nicht „ansprechbar“ ist: für ihn beten, für ihn die hl. Messe mitfeiern, ihn geistigerweise mit hinein in den Kelch legen und um Wandlung und Heilung bitten, das können wir auf jeden Fall.
Wenn die Atmung schwach ist und immer schwächer wird, könnten wir den Heiligen Geist bitten: „Atme in ihm, Heiliger Geist, erfülle ihn, belebe ihn…“
Vielleicht ist auch eine „geistige Herz-Druck-Massage“ nötig. Das kann sehr schmerzlich sein. Vielleicht bin ich als „geistiger Ersthelfer“ ungeschickt und breche dem „Notfallopfer“ ein paar Rippen. Nicht so wichtig, denn es geht hier ja ums Leben, ums ewige Leben.
Schmerzliche Wahrheit
Wie könnte so eine „geistige Herz-Druck-Massage“ denn aussehen? Das könnte etwas sehr Schmerzliches sein. Das könnte eine sehr schmerzliche Wahrheit sein, die man dem „geistigen Notfallopfer“ sagen muss: dass er den Anschluss verpasst hat an Gott und die Kirche. An die Kirche mit all ihren Fehlern und Mängeln, ja – die aber zugleich die „heilige Kirche“ ist, weil sie die Kirche Jesu ist, der sie gegründet hat und der der ganz Heilige ist. Vielleicht müssen wir dem „geistigen Notfallopfer“ sagen, dass Jesus ihn vermisst und sucht. Dass Jesus ihn liebt und wieder aufrichten will. Dass er ihn stärken will, damit er wieder zu Kräften kommt.
Vielleicht gehört zu der schmerzhaften Wahrheit für das „geistige Notfallopfer“ auch, dass er sich von Gott entfernt hat , dass nicht Gott der Mittelpunkt seines Lebens ist, sondern Geld, Ruhm, Ansehen, Arbeit, Erfolg, Vergnügen, Reisen. Dass er nicht Gott die Ehre gegeben hat.
Wir selber, jeder von uns, sind die ersten „geistigen Notfallopfer“. Die Wahrheit über unseren eigenen geistigen Zustand tut weh. Aber das macht nichts. Soll es ruhig ordentlich weh tun. Wir können dann umso mehr bereuen und wahre Buße tun für unsere Vergehen, für unser willentliches „Jesus-Verpassen“.
Erste Priorität ist, die „Notfallsituation“ zu überleben. Mit anderen Worten: das ewige Leben nicht zu verpassen, sondern es zu gewinnen.
Bitten wir also zuerst für uns selber, dass der Heilige Geist uns neuen Atem einhaucht, dass Jesus uns in der Eucharistie durch seinen Leib und sein Blut stärkt, dass er uns ein neues Herz schenkt, dass er uns durch sein Wort lehrt, dass er uns mit seiner Wahrheit beschenkt, einer Wahrheit, die wirklich frei macht – auch wenn sie zuerst vielleicht schmerzt.
Beten wir für alle „geistigen Notfallopfer“, dass der Herr ihnen zu Hilfe kommen möge, dass sie die Kraft haben, umzukehren und mit Ihm ein neues Leben zu beginnen.
Leben retten—Seelen retten
Zusammenfassend können wir sagen: der gestrige Fatima-Tag war durch den Erste-Hilfe-Kurs eine einzige Lehrstunde. Es ging durchgehend um das Thema „Leben retten“.
Aber es war eben auch Fatima-Tag, also ein besonderer Tag der Muttergottes – und sie führte die Lehrstunde am heutigen Vormittag weiter. Mit der Muttergottes als Lehrerin haben wir den gestrigen Erste-Hilfe-Kurs übertragen können aufs geistige Leben.
Unser Thema heute lautete: „Seelen retten“ –, was uns an die Worte der Muttergottes vom 19. August 1917 erinnert: „Betet, betet viel und bringt Opfer für die Sünder, denn viele Seelen kommen in die Hölle, weil sich niemand für sie opfert und für sie betet.“
Das ist unser Auftrag: „Geistigen Notfallopfern“ Erste Hilfe leisten durch Gebet und Opfer.
Tun wir zuerst Buße für unsere eigenen Sünden, bereiten wir so den Boden, um fruchtbar Sühne leisten zu können für die Sünden anderer. Machen wir Jesus und Maria Freude, indem wir mithelfen, Seelen für den Himmel zu retten. Folgen wir dabei dem Beispiel der heiligen Kinder von Fatima.
Ulrike Karger
.png)