Ein Herz für Russland
An der Hand der Gottesmutter auf einer Friedenswallfahrt durch Russland
„Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren. Der Heilige Vater wird mir Russland weihen, das sich bekehren wird, und eine Zeit des Friedens wird der Welt geschenkt werden.“
Maria erobert die Herzen für ihre Botschaft
In der Botschaft von Fatima richtet Maria in ganz besonderer Weise unseren Blick auf Russland. Ein Land, dass sie liebt und für deren Bekehrung sie die ganze Menschheitsfamilie um das Gebet bittet. Russland, ein unendlich weites, unendlich schönes und faszinierendes Land. Diesem Ruf öffnete ein kleiner Junge, bereits mit 10 Jahren, sein Herz und es ließ ihn seither nicht mehr los. Er spürte, dass Russland für den Frieden in Europa und der Welt sowie die Bekehrung der Menschen hin zu Gott eine bedeutende Rolle spielen könnte. Es sind die Worte der Gottesmutter, die das Herz des deutschen Priesters, Pfarrer Erich Maria Fink, als kleinen Jungen trafen und der zum Pfingstfest dieses Jahres das 25jährige Bestehen seiner Pfarrei „Maria - Königin des Friedens“ in Beresniki, einer Stadt am Ural, im östlichsten Teil Europas feiern durfte.
Dieser offenen Herzenshaltung, welche Pfarrer Fink mit seinem ganzen Leben bezeugt, folgten auf seine Einladung hin, 44 Pilger aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, der Slowakei und aus Frankreich in das Russland der Gottesmutter. In einer Friedenswallfahrt von Moskau bis nach Jekaterinburg vom 28. Mai bis 11. Juni 2025. Ich danke Gott für die Gnade dieser außergewöhnlichen Wallfahrt, an der auch ich teilnehmen durfte.

Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz in Moskau
Unterwegs als Pilger der Hoffnung - eine Pfingstnovene für den Frieden
In einer pilgernden Pfingstnovene von Christi Himmelfahrt bis Pfingsten beteten wir mit den Menschen vor Ort für den Frieden und die Einheit unter den Völkern und Konfessionen. Ein Zeichen der Hoffnung, dass tiefe Spuren, sicher nicht nur in uns, hinterlassen hat.
So wie den Seherkindern der Engel von Fatima mit den Worten erschien „Habt keine Angst! Ich bin der Engel des Friedens! Betet mit mir! … Die Herzen Jesu und Mariens erwarten eure flehentlichen Bitten.“, so antworteten die Pilger dieser Wallfahrt diesem Anruf auf besondere Weise, für den Frieden der Welt.
Es war eine gnadenreiche Zeit, in einem wunderschönen Land mit seinen Bewohnern, welche den Glauben und die Liebe zu unserem Dreifaltigen Gott, der Gottesmutter und allen Engeln und Heiligen in prächtigen Kirchen und Klöstern bezeugt.
Das russische Volk empfing uns mit großer Herzlichkeit und Gastfreundschaft. In zahlreichen Begegnungen wurden eine tiefe Dankbarkeit und Freude über dieses Vorhaben und den Mut, diese Reise gerade in dieser Zeit zu wagen, spürbar. Gottes Segen und Schutz waren auf die Fürsprache der Gottesmutter sichtbar mit uns.
Lebendige Zeugnisse eines tiefgläubigen Volkes
Diese Reise wird unvergessen in unseren Herzen bleiben. Pfarrer Fink schenkte uns einen faszinierenden Einblick in die Kultur und Geschichte des Landes und führte uns zu vielen großen Heiligtümern der Russisch-Orthodoxen Kirche.
Auf dem ersten Teil unseres Weges erlebten wir Moskau mit dem Roten Platz, dem Martha-Maria-Kloster der Elisabeth von Hessen Darmstadt und der Tretjakow-Galerie mit den Original-Ikonen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit von Rubljow und der Gottesmutter von Wladimir.
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Sergijew Possad
Von dort führte der Weg ins Landesinnere nach Sergijew Possad, dem Dreifaltigkeitskloster mit dem Grab des hl. Sergius von Radonesch – auch als Vatikan der Russ.-Orth. Kirche bezeichnet, Bogoljubowoskaja und weiter nach Wladimir.
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Diwejewo mit der Grabeskirche des Hl. Seraphim von Sarow
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Quelle des hl. Serafim von Sarow
Wir besuchten Diwejewo mit den heiligen Stätten des hl. Seraphim von Sarow. Er verwies die Menschen u. a. auf das Beten von 150 Ave Maria (Rosenkranz), die er als Dornen – Mittel zur Abwehr des Bösen bezeichnete. Sowohl der hl. Sergius von Radonesch als auch Seraphim von Sarow werden auch in der katholischen Kirche als Heilige verehrt.
Gesegnet waren auch die Begegnungen mit den katholischen Gemeinden in den Ortschaften, die wir besuchten. Wir feierten jeden Tag eine Hl. Messe zusammen mit den Priestern und Gemeindemitgliedern vor Ort. In Moskau begegneten wir in der katholischen Kathedrale der Unbefleckten Empfängnis dem Generalvikar der Erzdiözese Moskau, zu der auch Beresniki im Ural gehört.
Die katholischen Gemeinden sind lebendig und wachsen stetig. An Sonn- und Feiertagen sind mehrere Hl. Messen keine Seltenheit, um der Nachfrage gerecht zu werden.
Die Kirchen Russlands – sowohl Orthodox als auch Katholisch und Protestantisch – wurden während der Sowjetzeit vollständig entweiht und anderweitiger Verwendung zugeführt. Die Heiligen Gegenstände, Ikonen und Figuren blieben jedoch in großen Teilen erhalten, da man ihren Wert erkannte und sie in Museen ausstellte.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion fielen die Gebäude wieder in das Eigentum der Kirchen zurück, wurden unter finanzieller Unterstützung des Staates, teilweise auch neu, wiedererrichtet und besonders würdevoll und mit großer Sorgfalt renoviert. Bemerkenswert ist die Schönheit und der Detailreichtum mit welcher die Kirchen ausgestattet sind, insbesondere vor dem Hintergrund der oft kurzen Zeit ihrer Wiedererrichtung und Renovierung.
Schnell haben sich auch die Menschen ihre Heiligen Orte zurückerobert. Die Religiosität und die Verbundenheit der Menschen mit ihren Kirchen sind beeindruckend.
Die katholische Kirche Russland und ihre besondere Verehrung U. L. F. von Fatima
Die Botschaft von Fatima ist in Russland überall gegenwärtig. Dies zeigt sich auch darin, dass immer wieder die Darstellung U. L. F. von Fatima zur Verehrung ihres Bildnisses gewählt wurde. Daneben kommt den Heiligsten Herzen Jesu und Mariens in der Abbildung des Barmherzigen Jesus nach der Botschaft an Sr. Faustyna Maria Kowalska und dem Bild der Herz-Mariä-Statue nach den Erscheinungen von Pontevedra eine besondere Rolle zu.
Beeindruckend ist, dass die Botschaften vor allem auch in ihrer Umsetzung überall Gehör finden. In den Pfarreien wird die eucharistische Anbetung, die Andacht der Herz-Mariä-Sühnesamstage und das Rosenkranzgebet gepflegt. Auf das 100jährige Jubiläum von Pontevedra im Dezember 2025 wird vielerorts in Schriften aufmerksam gemacht.
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Katholische Rosenkranzkirche von Wladimir
Von den Zeugnissen der Priester, die wir jeweils vor Ort antreffen durften, soll hier die Begegnung mit Pfarrer Sergej in der katholischen Rosenkranzkirche von Wladimir besondere Erwähnung finden. Seine Predigt und Ansprache bezeugte die Macht des Kreuzes und die Früchte, die aus der Annahme des Leidens und seiner Verwandlungskraft hervorgehen. Er erzählte, dass es beeindruckend sei, wie sich Russland verändern darf. Vielleicht auch gerade vor dem Hintergrund der Leiden des Volkes des vergangenen Jahrhunderts. Er betonte, dass die Veränderungen zum Guten ganz besonders durch das Durchleiden von Schwierigkeiten und Kreuzerfahrungen im Vertrauen auf Gott geschenkt werden.
Kaum ein anderes Land des kommunistischen Ostens hatte so zu leiden unter der Verfolgung der Kirche, wie Russland. In allen christlichen Konfessionen sind zahlreiche Märtyrer, Gefangene und Gefolterte zu verzeichnen. Die Gläubigen litten unter vielfältigen Verleumdungen und Repressalien.
Der Glaube konnte nur im Geheimen gelebt und weitergegeben werden. Oft waren es die Großmütter, „Babuschkas“, die den Glauben in den Familien und Gemeinschaften lebendig hielten und weitergaben.
Ein orthodoxes Marienheiligtum und deren enge Verbindung zu Fatima
Nachdem in 6 Tagen bereits ca. 2000 km mit dem Reisebus hinter uns lagen, bestiegen wir in Kasan die Transsibirische Eisenbahn. In nur 15 Stunden, über 2 Zeitzonen hinweg, erreichten wir so die rund 700 km entfernte Permer Region am Ural.
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Feierlichkeiten in Obwinsk
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Bei unserer Ankunft, am Morgen des 5. Juni, besuchten wir zum Jahrestag der Erscheinungen den orthodoxen Marienerscheinungsort Obwinsk, der in Russland aufgrund seiner unübersehbaren Parallelen zu den Marienerscheinungen in der katholischen Kirche besonders herausragt. Wir waren eingeladen, an dem dreistündigen Gottesdienst, welcher von einem Bischof geleitet wurde, sowie an den Festlichkeiten des Ortes teilzunehmen.
Die Ereignisse von Obwinsk fanden bereits im Jahr 1685 statt und nehmen im Grunde die großen Erscheinungen in der Westkirche voraus. (siehe Info an Ende dieses Berichta …) Von der Russisch-Orthodoxen Kirche wurden die Bitten der Gottesmutter zeitnah beantwortet und bereits ein Jahr später, also 1686, anerkannt. Handelt es sich doch um eine für die Russ.-Orth. Kirche untypische Marienerscheinung, deren Verehrung dort ausschließlich in der Ikonographie ihren Ausdruck findet. Man errichtete eine Kapelle aus Holzstämmen, später die Kirche und ein Kloster wurde gegründet. Im Zuge dieser Vorgänge ist auch eine Heilquelle entsprungen. In der Predigt des Bischofs wurden wir Zeugen dafür, wie die Botschaft bis heute den Menschen eindrücklich verkündet wird.
Pfarrer Fink weißt immer wieder darauf hin, dass dieser Ort und seine Geschichte letztlich ein ungeahntes Potential für die Ökumene birgt und zu einer entscheidenden Brücke zwischen Ost- und Westkirche werden und die Russisch-Orthodoxe Kirche der katholischen Kirche näherbringen könnte.
Erste Kontakte zwischen Fatima und Russland
In einem anschließenden Treffen erwartete uns der russisch-orthodoxe Priester, Jewgenij Krenz mit seiner Ehefrau Olga und Frauen aus seiner Gemeinde. Er war es, der Pfarrer Fink auf die Ereignisse von Obwinsk aufmerksam machte. Seither konnten, wie durch ein Wunder, bereits 2022 sehr gute Kontakte zwischen dem Metropolit Methodius von Perm und Kungur und Bischof José Ornelas Carvalho von Leiria-Fatima geknüpft werden. Auch der katholische Erzbischof Paul Pezzi von Moskau richtete ein Schreiben an den Bischof von Fatima, in dem er die Initiative unterstützt.
Diese ersten schriftlichen Kontakte wurden im Juli 2023 durch den Priester Jewgenij Krenz zusammen mit Pfarrer Erich Maria Fink in einer persönlichen Begegnung mit Bischof Carvelho und dem Rektor des Heiligtums von Fatima, Dr. Carlos Cabecinhas, in Fatima und Lissabon bekräftigt und vertieft.
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Treffen am 30.07.2023 in Fatima mit (v. links) Rektor Dr. Cabecinhas, Pfr. Fink, Bischof Carvalho und Jewgenij Krenz
Die Früchte eines Lebens in der Hingabe an U. L. F. von Fatima
Bevor wir das Ziel unserer 9tägigen Pfingstnovene in Beresniki erreichten, lernten wir zwei weitere Kirchen von Pfarrer Fink in den über 150 km auseinanderliegenden Pfarrorten kennen. Solikamsk mit der Kirche „St. Anna“ und Rjabinino ganz im Nordosten des Urals, deren Kirche „U. L. F. von Fatima“ geweiht ist.
Die Permer Region, zu der Beresniki, Solikamsk und Rjabinino gehören, ist stark geprägt durch die Russlanddeutschen, die nach dem 2. Weltkrieg in diese Gebiete am Ural verschleppt wurden. Als Pfarrer Fink im Jahr 2000 durch den Moskauer Bischof nach Beresniki entsandt wurde, traf er zunächst ein paar alte Frauen an, die für die Ankunft eines katholischen Priesters ihr ganzes Leben gebetet hatten.
Mit seiner mittlerweile stattlichen – an Größe und Zahl angewachsenen – Gemeinde durften wir nun am Ziel unserer Pfingstnovene das 25jährige Jubiläum seiner Pfarrei von Beresniki „Maria – Königin des Friedens“ begehen. Es war ein Fest der Superlative. Neben zahlreichen Gratulanten und Festgästen aus orthodoxer und protestantischer Kirche, aus der politischen Gemeinde und den umliegenden Ortschaften wurde der Festgottesdienst mit einer Erwachsenentaufe und der Erstkommunion von vier Kindern der Gemeinde gekrönt.
Es ist erstaunlich zu sehen, wie Gott durch das Gebet der Menschen und das offene Herz von Pfarrer Fink ein großes umfassendes Werk begründet hat. In unzähligen Menschen, denen Pfarrer Fink in seiner Wahlheimat Russland in all den Jahren begegnen durfte, ist sichtbar neue Hoffnung und eine tiefe Verbundenheit gewachsen.
So entstanden neben dem Bau der drei genannten Kirchen ein Zentrum zur Heilung von Drogen- und Alkoholabhängigen, die „Schule des Lebens“ in Jajwa. Ihr Alltag ist geprägt durch einen geregelten Tagesrhythmus, dem Lesen und Betrachten der Heiligen Schrift, einer täglichen Heiligen Messe in der eigenen Kapelle, die dem Hl. Erzengel Michael geweiht ist, und dem gemeinsamen Rosenkranzgebet. Mit der Hilfe Gottes finden auf diese Weise viele Menschen zu einem neuen Leben ohne Abhängigkeit, wo sie sich in den Pfarreien, in einem eigens aufgebauten landwirtschaftlichen Betrieb mit eigener Milchverarbeitung oder in dem seit kurzem eingerichteten Exerzitienhaus für Familien mit einer Kapelle des Heiligen Josefs segensreich einbringen. Neben diesen Projekten kümmert sich Pfr. Fink um Waisen- und Straßenkinder, welche, wenn möglich, in Pflegefamilien in der Region vermittelt werden. In seiner Kirche befindet sich ebenso eine Obdachlosenunterkunft und eine Armenspeisung. Ein Teil der ewigen Anbetung in der Kirche wird von diesem Personenkreis übernommen. All dies ist, wie er selbst sagt, von ihm nie selbst ausgewählt oder angestrebt worden, sondern ein reines Geschenk Gottes auf die Fürsprache U. L. F.
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Fatima-Kirche in Rjabinino
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Fatima-Kirche (Innenansicht
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Verkostung der Milcherzeugnisse auf dem Bauernhof
Begegnungen in den Familien der Pfarreien und das ergreifende Schicksal der letzten Zarenfamilie
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Zu Gast bei Familien
Dieser zweite Teil unserer Reise wurde auch für uns zu einem großen Geschenk. Wir waren in Gastfamilien der Pfarreien untergebracht. Die Reise erfuhr in der Herzlichkeit und Liebe, mit der wir beherbergt und bewirtet wurden und in den individuellen und persönlichen Unternehmungen eine unvergleichliche Krönung, aus der wundervolle Freundschaften hervorgingen.
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Schacht, in der die Leichen der Zarenfamilie abgelegt wurden
Auf der letzten Etappe vor der nahenden Heimreise fuhren wir mit dem Reisebus entlang des Uralgebirges zur Grenze von Europa und Asien nach Süden in die Stadt Jekaterinburg.
Eine Millionenstadt, deren Geschichte mit dem Schicksal der letzten Zarenfamilie und ihrem Martyrium verbunden ist. Wir besuchten die Kathedrale auf dem Blut, die 2000-2003 an der Stelle erbaut wurde, an der die Zarenfamilie 1918 ermordet, sowie das Kloster bei den Schächten, wo die Leichen der Zarenfamilie abgelegt worden waren. Das grausame Schicksal einer Familie, das jeden in besonderer Weise berührte.
Die Eindrücke dieser Friedenswallfahrt sind groß und bedürfen wohl noch einer längeren Zeit, um sie wirklich verarbeiten zu können. Die wunderschöne Zeit mit den Menschen vor Ort, die guten und tiefgreifenden Führungen von Pfarrer Fink durch die vielen Heiligtümer und Städte des Landes haben bereits eine tiefe Spur in unseren Herzen hinterlassen. Gott hat uns nicht nur als Pilgergemeinschaft zusammengefügt. Er hat unsere Herzen auch miteinander verbunden und den Blick geweitet für ein Miteinander über alle Grenzen hinweg, dass wir immer und überall, über Nationen und Konfessionen hinweg, als Pilger der Hoffnung Zeugnis ablegen können. Möge sich das Angesicht der Erde im Heiligen Geist erneuern und die Gebete, Eindrücke und Berichte dieser Pilgerfahrt sowie alle Gebete für Frieden, Einheit und eine Zivilisation der Liebe ihre Frucht bringen. – Auf dass die Worte U. L. F. von Fatima am 13.10.1917 für die ganze Welt Wirklichkeit werden:
„Ich bin Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz. Man soll weiterhin täglich den Rosenkranz beten. Der Krieg geht zu Ende, und die Soldaten werden in Kürze nach Hause zurückkehren.“

Reiseroute
Die Ereignisse von Obwinsk
Die Ereignisse von Obwinsk sind sehr detailliert überliefert und gut dokumentiert. Aus der damaligen Zeit ist unter anderem ein vergilbtes Pergament erhalten, auf dem das Zeugnis des Sehers festgehalten ist. Es handelt sich um Rodion Nowikow, einen Bauern, der wegen seiner intellektuellen Begabung und seiner Aufrichtigkeit bei seinen Mitbürgern in hohem Ansehen stand und dessen Aussagen als zuverlässig galten.
Was ist geschehen? Am 22. Mai 1685 ging Rodion zur Arbeit in einen nahegelegenen Wald. Dort hatte er ein Dutzend Bäume gefällt, die er entasten wollte. Kurz bevor er den Wald erreichte, kamen ihm unheilvolle Gestalten entgegen. Sie waren von großer Statur und hatten glühende Augen. Eine Person war von oben bis unten schwarz, eine andere trug feuerartiges Haar, zwischen den beiden lief ein vierbeiniges Tier mit furchterregendem Aussehen. Während Rodion von Angst ergriffen den Gestalten auswich und nach einer Erklärung suchte, wandten sie sich ihm zu und brüllten wie ein wildes Tier: „Was willst du von uns?“ Da ergriff Rodion die Flucht
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In diesem Augenblick trat ihm aus dem dichten Wald eine hell leuchtende Gestalt entgegen und begrüßte ihn mit den Worten: „Der Friede sei mit dir, Rodion!“ Als er diesen Friedensgruß und seinen Vornamen hörte, beruhigte er sich und fasste Mut. Die Erscheinung aber, die in ein schneeweißes Gewand gekleidet war und von der er nur das Gesicht und einen Teil der Füße sehen konnte, fragte ihn, was er denn auf dem Weg gesehen habe. Rodion bemühte sich, das Geschaute genau zu schildern. Da begann ihm die geheimnisvolle Person zu erklären, dass in den drei Gestalten Plagen angedeutet seien, die über die Menschen hereinbrechen würden, wenn sie sich nicht bekehrten, nämlich tödliche Krankheiten und Seuchen, Viehsterben, Dürre und nicht rechtzeitiger Regen, Ernteausfall und Hungersnot.
Wegen ihrer Sünden lasse Gott dies alles auf die Menschen kommen. Und die Erscheinung zählte vier Sünden auf. Es gehe darum, dass die Menschen fluchen, an Sonn- und Feiertagen arbeiten, sich der Trunksucht hingeben und Tabakgetränk konsumieren, was auch ein Hinweis auf Drogen sein könnte. Rodion wurde aufgefordert, den Priestern und dem Volk in der ganzen Gegend die Botschaft zu überbringen, sie sollten diese Sünden nicht mehr begehen, sondern einander lieben. An den Festtagen des Herrn und der Gottesmutter sollten sie in die Gotteshäuser gehen und in Liebe füreinander beten, Gott um die Abkehr von den Sünden und um das Himmelreich sowie um ihr Wohlergehen bitten. Wenn die Menschen auf die von ihr gegebene Botschaft hören, so die Erscheinung, werde Gott gnädig sein und seinen gerechten Zorn abwenden und die Menschen werden in Wohlstand und Überfluss an den Früchten der Erde leben; wenn sie aber nicht gehorchen und sich nicht von ihren abscheulichen Sünden abwenden, werden die genannten Plagen nicht von ihnen weichen.
Daraufhin gab die Erscheinung Rodion den Auftrag, in das benachbarte Dorf Roschdjestwenskoje zu gehen und dem dortigen Klerus und Volk zu sagen, sie sollten die Ikone zu Ehren des Entschlafens der Gottesmutter (Mariä Himmelfahrt) holen, die eigentlich in das Zentrum der Kirche gehöre. Doch hänge sie vergessen in der Ecke eines Vorraums, wo sich der Speisesaal befinde. Zudem sollten sie von dort zwei kleine Glocken mitnehmen und zusammen mit den Waisen und Armen eine Prozession zur Anhöhe zwischen den beiden Flüssen Tjusch und Jaswa durchführen, voraus ein Kreuz und die Entschlafens-Ikone der Gottesmutter. Auf der dortigen Wiese sollten sie das Kreuz aufstellen und danach innerhalb eines Tages eine Holzkapelle errichten, später auch eine Kirche und ein Kloster, in dem Mönche ihr gemeinschaftliches Gebetsleben ausüben sollten.
Außerdem sollten jedes Jahr an den Festen Christi Himmelfahrt und Mariä Himmelfahrt sowie am Fest des nicht von Menschenhand gemalten Antlitzes Christi am 16. August Prozessionen mit Gebeten und Liedern an diesen Ort abgehalten werden.
Schließlich fragte Rodion die Erscheinung, die er für einen Engel hielt: „Herr, wer bist Du?“ Sie antwortete ihm: „Ich bin die Mutter des Erlösers, des Herrn, Jesus Christus.“ Und von diesem Moment an war sie nicht mehr zu sehen.
Außer sich vor Staunen machte sich Rodion auf den Weg zurück in sein Dorf und nahm eine Abkürzung durch das Waldgebiet. Nach einigen Schritten stolperte er über einen Baumstumpf, fiel zu Boden und schürfte sich an seiner Hand die Haut auf, so dass sie blutete. In seinem Ärger und Schmerz stieß er ein Fluchwort aus. Im selben Augenblick vernahm er ein lautes Geräusch. Ein heftiger Windstoß riss ihn empor und schlug ihn mit unsichtbarer Kraft zu Boden. Er verlor das Bewusstsein und lag zwei Tage auf der feuchten Erde. Als er wieder zu sich kam, eilte er sogleich nach Roschdjestwenskoje und führte den Auftrag der Gottesmutter aus.
[….]
Parallelen zu Erscheinungen in der katholischen Kirche
Die auffälligste Parallele zu den Marienerscheinungen im Westen ist das Erscheinungsbild selbst: Die Gottesmutter im weißen Gewand mit Schleier und Mantel, umgeben von Licht und ohne Kind auf dem Arm. Maria ist die Muttergottes, die den Erlöser geboren und bis unter das Kreuz begleitet hat. Von diesem Augenblick an aber tritt an die Stelle Jesu die ganze Menschheit: „Siehe dein Sohn, siehe deine Mutter!“ (Joh 19,26f.) Ihre mütterliche Aufgabe für alle Menschen kann Maria vollumfänglich ausüben, seit sie ihre Vollendung in Gott gefunden hat, mit Leib und Seele aufgenommen in den Himmel. Es ist höchst bedeutsam, dass die Gottesmutter in Obwinsk einen so starken Akzent auf ihre Himmelfahrt setzt. Die von ihr erwählte Mariä-Entschlafens-Ikone zeigt im Stil der Westkirche das Ereignis, wie sie umgeben von den staunenden Aposteln über ihrem Grab von Jesus Christus, ihrem auferstandenen Sohn, in Empfang genommen wird.
Inhaltlich ist die Botschaft fast identisch mit den Worten der Gottesmutter in La Salette 1846. Auch dort kündigt sie das Verderben der Ernte an und nennt als Grund das Fluchen und die Sonntagsarbeit, die beiden Sünden, die in Obwinsk an erster Stelle stehen. Die Aufforderung zum Gebet entspricht allen Erscheinungen des Westens, doch sticht die Parallele zu Fatima besonders hervor. Denn wie in Obwinsk ruft Maria in Fatima dazu auf, für die Bekehrung der Sünder und die ewige Rettung aller Seelen zu beten, also nicht nur um Vergebung der eigenen Sünden, sondern stellvertretend für alle anderen, damit sie die Kraft finden, sich von der Sünde abzuwenden. Dieses Detail in der Botschaft von Obwinsk verdient besondere Aufmerksamkeit. Es ruft letztlich die Wahrheit des gemeinsamen Priestertums in Erinnerung.
Auch die Aufforderung, eine Kapelle bzw. eine Kirche zu bauen, ist mit anderen Erscheinungen identisch, besonders auch die Einladung, Prozessionen durchzuführen, wie dies in Lourdes (1858) geschehen ist. Mit diesem Wallfahrtsort verbindet Obwinsk zudem das Geschenk der Heilquelle. In all diesen Wünschen geht es der Gottesmutter darum, die Menschen zur eigentlichen Quelle des Heils hinzuführen, nämlich zu Jesus Christus, dem wir besonders in den Sakramenten der Kirche begegnen können. Auf den Erlöser hin gerichtet ist auch die Aufforderung der Gottesmutter in Obwinsk, eine jährliche Prozession am Fest des nichtgemalten Antlitzes Christi durchzuführen. Man denkt unwillkürlich an das Grabtuch von Turin und das göttliche Antlitz von Manoppello, womit Obwinsk den Blick wiederum auf Schätze lenkt, die von der katholischen Kirche gehütet werden.
Ähnlich wie bei den Erscheinungen im Westen ist auch der Seher von Obwinsk zunächst von Furcht ergriffen. Und überall spricht die Gottesmutter im Gruß die biblische Aufforderung aus: „Fürchtet euch nicht!“ oder wie in Obwinsk: „Der Friede sei mit Dir!“ In diesen Geist ist auch der strenge Ruf zur Umkehr eingebunden, der nicht mit Angst erfüllen, sondern eine neue Liebe zu Jesus und Maria wecken möchte. In Obwinsk werden der Herr und die Gottesmutter mehrere Male zusammen genannt. Dies weist deutlich darauf hin, dass der Sohn Gottes sein Erlösungswerk mit Maria, seiner Mutter und Gefährtin, vollbringt.
Ausblick
In Obwinsk ist verständlicherweise nicht vom Rosenkranz die Rede, doch gibt es eine mündliche Überlieferung, die auch zu diesem Element eine Brücke schlägt, nämlich die Geschichte von der „Obwinsker Rose“. Die Legende besagt, dass die Gottesmutter, als sie Rodion den Auftrag zum Gebet füreinander und zum Bau eines Klosters für das gemeinschaftliche Gebetsleben gegeben habe, zeichenhaft ihren Mantel über alle Völker ausgebreitet habe. Dabei seien aus dem Mantel himmlische Rosen herausgefallen und hätten sich am Ufer der Obwa entlang verteilt. Jedenfalls gibt es seither in Kunst und Handwerk das in ganz Russland bekannte Verzierungsmotiv der „Obwinsker Rose“. Das Entscheidende aber ist, dass die Ikone der Erscheinung nun in der orthodoxen Kirche offiziell „Obwinsker Rose“ genannt wird. Damit wurde die Verbindung dieser Tradition zur Gottesmutter bekräftigt.
Die Ereignisse von Obwinsk sind in der Russisch-Orthodoxen Kirche einzigartig. Sie haben vor allem deshalb prophetischen Charakter, weil sie die späteren Erscheinungen im Westen vorausbilden und vorwegnehmen. Obwinsk könnte die Russisch-Orthodoxe Kirche von Fatima überzeugen, wo auf außerordentliche Weise die ganze Weltkirche aufgefordert wurde, am Schicksal der russischen Nation Anteil zu nehmen und für die Bekehrung Russlands zu beten, insbesondere den Rosenkranz. Damit aber wäre das Tor zur Wiederherstellung der Einheit weit aufgestoßen.
Auszug aus einem Artikel von Pfr. Erich Maria Fink - Marienerscheinung im russischen Ort Obwinsk 1685 - Die prophetische Stimme der Gottesmutter, Zeitschrift: Kirche-heute
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